Zusammenfassung
Dynamic Spektrum Sharing oder deutsch: Dynamische Spektrum-Aufteilung ist eine Methode um einen Frequenzbereich gleichzeitig für LTE und 5G zu nutzen. Sie wurde mit dem 3GPP Release 15, also dem ersten 5G Release eingeführt. Die Zuteilung erfolgt dabei dynamisch je nach Nachfrage durch die Nutzer. Der große Vorteil daran ist, dass so kein Spektrum mehr durch eine bestimmte Mobilfunk-Technologie blockiert wird und damit für viele Nutzer nicht zugänglich ist. Die Frequenznutzung wird dadurch wesentlich effizienter als sie es bislang war. In Deutschland bietet sich der 700 MHz Bereich für diese Technik an, dort könnte zukünftig auf Basis des Release 15 5G DSS eingesetzt werden, dass dann gleichzeitig LTE bereitstellen kann.
DSS – Lösung gegen ineffiziente Frequenznutzung
Die Frage stellt sich eigentlich bei jedem Übergang von einer Mobilfunktechnologie zur nächsten: Welche Mobilfunk-Technologie wird auf welcher Frequenz verwendet. Traditionell werden Mobilfunk-Technologien der neuen Generation in separaten Frequenzblöcken eingesetzt – wie dies bei 2G, 3G und 4G der Fall war. Diese Entscheidungen haben jahrelange Auswirkungen, weil sich ein Frequenzbereich nicht einfach umstellen lässt, das ging nur über ein Refarming. Gerade in den niedrigen Frequenzbereichen ist dieses Problem vorhanden, da dort vergleichsweise wenig Spektrum zur Verfügung steht.
In 3GPP Release 15 wurde nun ein Feature namens 5G DSS oder Dynamic Spectrum Sharing integriert, das ein Refarming überflüssig macht und damit den Übergang von 4G zu 5G deutlich vereinfacht. DSS nutzt die Tatsache, dass sowohl 4G LTE als auch 5G NR auf der OFDM-Technologie basieren, und führt Techniken ein, mit denen die Wellenformen nahtlos zusammen arbeiten und das gleiche Spektrum nutzen können. Die Lösung basiert auf intelligenten Scheduler-Algorithmen, die eine optimale Leistung ermöglichen, wenn sich das Verhältnis von 4G- und 5G-Geräten im Netzwerk im Zeitverlauf ändert. Mit anderen Worten: DSS ermöglicht die Koexistenz von 4G LTE- und 5G NR-Benutzern im gleichen Frequenzband/Kanal zur gleichen Zeit und ermöglicht es den Basisstationen und dem Netz eines Betreibers, die Kanalressourcen dynamisch zwischen 4G- und 5G-Benutzern an jedem Zellstandort aufzuteilen.
Tatsächlich macht 5G DSS praktisch jedes Band, das heute mit 4G/LTE genutzt wird, zu einem Band, in dem 5G auch sofort eingesetzt werden kann. Diese Funktion wird typischerweise in niedrigen Sub-6 GHz-Frequenzen eingesetzt. In diesen Frequenzbereichen kann eine sehr große 5G-Abdeckung erreicht werden, jedoch mit dem Nachteil, dass die Datenraten nur wenig höher als mit LTE sind. Dadurch steht auch im ländlichen Raum 5G zur Verfügung, ohne die umfangreichen Verzögerungen, die sich aus einem viel längeren Refarming-Prozess ergeben würden. DSS schränkt natürlich etwas die Kapazität vom 5G ein. Das liegt daran, dass für beide Technologien Kontrollkanäle (Control Channel) bereitgestellt werden müssen. Insgesamt kostet DSS ca. 10% Kapazität. Aber die Vorteile, die durch die 4G und 5G im gleichen Band entstehen, überwiegen bei weitem die Nachteile.
DSS im 700 MHz Bereich
In Deutschland bietet sich der 700 MHz Bereich für DSS an. Dieser Frequenzbereich wurde 2015 versteigert ist jedoch erst vor kurzem Freigeräumt worden. 700 MHz eignet sich sehr gut für den ländlichen Raum, da die Funkwellen eine große Sendereichweite haben. Die Netzbetreiber werden zunächst LTE in diesem Band betreiben um die Kapazität im dünn besiedelten Raum für möglichst viele Nutzer zu erhöhen. Dort steht für die Datennutzung aktuell eigentlich nur LTE im 800 MHz Bereich zur Verfügung und teilweise LTE 900 nach dem Refarming von GSM zu LTE. Zurzeit macht 5G in diesem Spektrum noch keinen Sinn, da schlicht keine Endgeräte zur Verfügung stehen, die diesen Bereich nutzen könnten. Aktuelle 5G-Smartphones verwenden nur das Band N78 bzw. den 3,6 GHz Bereich. Generell gibt es 5G aktuell nur für TDD Netze, die niedrigen Frequenzen sind jedoch für FDD zugeteilt. Zukünftig wird es über DSS jedoch möglich sein sowohl 4g als auch 5G gleichzeitig im 700 MHz Bereich zu nutzen
Die Verwendung von 5G im 700 MHz Bereich ist auch aus einem anderen Grund wichtig. Die Netzbetreiber brauchen einen Basislayer, eine möglichst flächendeckende 5G-Versorgung um ein 5G-SA (stand alone) Netz aufzubauen. Das hat den Vorteil, dass die Signalisierung im Netz über die 5G-Technik funktioniert. Das Netz kann dann andere Frequenzen aus den LTE oder 5G-Spektren bedarfsgerecht und je nach Verfügbarkeit hinzuschalten. Die zugeschalteten Frequenzen brauchen keine eigene Signalisierung, diese kann komplett über 700 MHz laufen.
5G-DSS und Telefonie
Eine Herausforderung war es bislang Telefonie mit DSS zu ermöglichen. Ericsson hat in Kooperation mit Qualcomm dafür eine Lösung entwickelt. Die Partner haben den weltweit ersten 5G-DSS Datenanruf realisiert. Genutzt wurde ein Low Band Spektrum mit Frequenzduplex (FDD). Zum Einsatz kam kommerzielle Hardware und Software auf der Basis des Ericsson Funksystems und einem mobilen Testgerät, das vom Qualcomm Snapdragon X55 5G Modem-RF System betrieben wird.
Der erste mit DSS realisierte Datenanruf wurde Anfang August in Ericssons Labor in Ottawa, Kanada durchgeführt. Die Anrufe mit dem LTE-Smartphone und dem 5G-Testgerät liefen gleichzeitig auf dem gleichen FDD-Spektrum. Dieser 5G-Anruf mit Hilfe von DSS ist ein wichtiger Meilenstein, da er zeigt, dass die Netzbetreiber diese sowohl für die Datennutzung als auch für Telefonie einsetzen können.